Buchstäbliches – G
Gamma nannten die Griechen den dritten Buchstaben ihres Alphabets, Gimal oder Gimmel hieß er bei den semitischen Volksgruppen. Wer in der römischen Frühzeit Lesen und Schreiben lernen wollte, bekam bei Lauten wie c, k und g oft Probleme mit der Zuordnung von Zeichen und Laut, da im Zuge der geschichtlichen Abfolge bei der Übernahme eines Alphabets die vorhandenen Buchstaben der jeweiligen Sprache angepasst werden mussten. Bereits die Griechen hatten etliche semitischen Zeichen neu belegt und auch eigenständige Zeichen für die Vokale eingesetzt. Als wiederum die Römer dieses Zeichensystem von den Etruskern übernahmen, traten die beschriebenen Schwierigkeiten auch beim C auf, das sowohl wie c/z als auch wie g/k ausgesprochen wurde.
Im Jahr 230 vor Christus kam der Sprachlehrer Spurius Carvillus Ruga auf die Idee, den Laut c durch das überlieferte C festzuhalten, G-Laute dagegen mit einem neuen Zeichen wiederzugeben, das statt des kaum benötigten Z an die siebte Stelle des Alphabets rückte, Er fügte an das untere Ende der C-Rundung einen kleinen senkrechten Strich an, der aber erst später zu einem eigenständigen Unterscheidungsmerkmal wurde.
Mit der zunehmenden Ausprägung der Serifen erhielt dieser Strich bei in Stein gehauenen Inschriften an seinem oberen Ende einen deutlichen Abschluss. In handschriftlichen Varianten geriet er zu einer immer längeren und ausgeprägteren, leicht nach links geneigten Graden. Viele der in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gebräuchlichen Unzialschriften zeigen eine starke Betonung dieses Strichs. In den sorgfältig geschriebenen Ausprägungen der Zierunziale wurde der waagerechte, aus der Serife entwickelte obere Abschluss charakteristisch. Mit der späteren Halbunziale entstand eine eher an den flüchtigen Handschriften und ihren Kursivformen orientierte Figur, die den bisherigen reinen Versalformen kaum ähnelte: Die C-Rundung schrumpfte merklich und ging in einen obenliegenden waagerechten Strich über. Rugas differenzierende Hinzufügung dominierte jetzt.
Diese Variante bildete den Ursprung der heute schwer lesbaren Form der Minuskelalphabete. Bei dem Kleinbuchstaben g veränderte sich die grundlegende Charakteristik seitdem kaum. Auffällig blieben bis heute die unterschiedlichen Formen der Unterlängen: Die erste Variante, die man in fast allen serifenlosen Schriften findet, schließt an der rechten Kante des oberhalb der Grundlinie sitzenden Ovals an. Die zweite Form kommt in Schriften mit Serifen vor und schlägt von der linken Kante oder der Mitte ausgehend zunächst einen weiten Bogen nach rechts, ehe sie sich wieder nach links wendet.
Die G-Versalien schrieb man in den gotischen Buchschriften ganz oder nahezu geschlossen, und bald ergänzte sie der bei vielen Lettern eingeführte senkrechte Zierstrich. Bei den als Zierbuchstaben und am Satzanfang verwendeten lombardischen Initialen rollt sich das G schneckenartig zusammen und ähnelt der Ziffer 6. Der obere rechte Abschluss des Zeichens öffnet sich bei manchen gebrochenen Schriften der Renaissance, der senkrechte Strich im Binnenraum des G krümmt sich in leichter S-Form. Viele Schreibmeister des Spätmittelalters entwickelten weit ausholende, an der Antike orientierte Figuren, wobei das versteckte C wieder zu seinem Recht kommt und der leicht schräg angesetzte Strich zu phantastisch ornamentierten Unterlängen wird.
Beim G der mit Serifen ausgestatteten Antiquaschriften blieb die alte Unterordnung des mittleren, waagerechten Strichs erhalten. Zahlreiche serifenlose Figuren hingegen zeichnen sich gerade durch eine Stärkung dieses Elements aus, wobei dessen Strichstärke der des restlichen Buchstabens angeglichen ist.